COVID19 und neuromuskuläre Erkrankungen

Es ist davon auszugehen, dass einige PatientInnen mit neuromuskulären Erkrankungen unter einem erhöhten Risiko für einen schwereren COVID-19-Erkrankungsverlauf stehen oder – auch durch indirekte Umstände bedingt – Gefahr laufen, eine Aggravierung ihrer neuromuskulären Grunderkrankung zu erleiden.

Univ.-Prof. Dr.
Wolfang Löscher

Univ.-Prof. Dr.
Fritz Zimprich

In diesem Zusammenhang sind folgende internationale Expertenempfehlungen relevant, die auf eine Minimierung dieser Risiken abzielen:

Stellungnahme der World Muscle Society
Guidance-Dokument der MG/COVID Working Group
EAN Scientific Panel Muscle & NMJ disorders
Stellungnahme der GBS|CIDP Foundation


Hier eine kurze Auswahl wichtiger, diskutierter Empfehlungen:

Plausible Risikofaktoren für einen schwereren COVID-19-Verlauf oder eine Aggravierung der Grunderkrankungen:

  • Schwäche der Atemmuskulatur speziell bei PatientInnen mit Kyphoskoliose
  • Beatmung
  • Schwacher Hustenstoß bzw. oropharyngeale Schwäche
  • Risiko der Verschlechterung der neuromuskulären Erkrankung durch Fieber, Fasten oder Infektion
  • Risiko einer Rhabdomyolyse
  • Kortikoidtherapie und/oder andere Immunsuppression
  • Kardiale Erkrankung (ohne/mit Medikation)
  • Komorbiditäten wie Diabetes mellitus und Übergewicht
  • Hohes Alter

Empfohlene allgemeine Maßnahmen für PatientInnen, BetreuerInnen und medizinische Versorgung:

  • Besonders gründliche Einhaltung der allgemeinen Empfehlung, insbesondere auch durch das Gesundheitspersonal und den/die BetreuerIn
  • Pausieren von externen Physiotherapien, wenn dies mit einem erhöhten Infektionspotential verbunden ist (stattdessen entsprechend empfohlene Übungen durch die PatientInnen/BetreuerInnen zu Hause)
  • Telemedizin statt Spitalsmedizin, wo möglich: d.h. Vermeidung von Spitalskontakten bei gleichzeitiger Sicherstellung der kontinuierlichen Versorgung der PatientInnen, z.B. durch telefonische Visiten, inkl. der rechtzeitigen medikamentösen Versorgung. Ebenso bei akuten Beschwerden, wenn möglich vorherige telefonische Kontaktaufnahme.

Allgemeine Empfehlungen zu immunmodulierenden/immunsuppressiven Behandlungen:

  • Es wird generell empfohlen, wirksame laufende immunsuppressive Therapien möglichst nicht zu ändern. Sollte nach einer individuellen Risikobeurteilung eine Änderung notwendig erscheinen, dann sollte dies in Absprache mit dem/der behandelnden neuromuskulären Spezialisten/Spezialistin erfolgen.
  • Die Entscheidung zu einer neu zu etablierenden immunsuppressiven Therapie, insbesondere zu einer B-Zell-depletierenden Therapie, muss nach einer individuellen Risikoabwägung getroffen werden. (Berücksichtigung der Gefahr eines evtl. schwereren COVID19-Verlaufs vs. Risiko der Grunderkrankung)
  • Intravenöse und subkutane Immunglobuline und Plasmaaustauschbehandlungen scheinen kein zusätzliches Risiko darzustellen.
  • In Krankenhäusern oder Gesundheitszentren verabreichte intravenöse Therapien sollten, wenn und wo möglich, auf Heimtherapien umgestellt werden.