22. Juli: World Brain Day

Der World Brain Day am 22. Juli rückt heuer Migräne in den Mittelpunkt, die weltweit häufigste Gehirnerkrankung. Obwohl eine von sieben Personen darunter leidet, wird Migräne oft unterschätzt, häufig nicht erkannt und zu selten kompetent behandelt. Die World Federation of Neurology (WFN) fordert daher unter dem Motto „Schmerzhafte Wahrheit“ mehr Aufmerksamkeit für die Probleme, das individuelle Leid und die volkswirtschaftlichen Kosten, die auf das Konto von Migräne gehen. Die WFN lädt Migränepatienten weltweit ein, in den Sozialen Medien unter den Hashtags #worldbrainday und #thepainfultruth ihre Erfahrungen zu teilen und Migräne sichtbar zu machen. Betroffene, Mediziner und Entscheidungsträger im Gesundheitswesen haben die Möglichkeit, das WFN-Webinar am 22. Juli von 16:00 bis 17:00 zu besuchen (https://register.gotowebinar.com/register/4427363188472679693)

 

Bereits zum fünften Mal findet am 22. Juli der World Brain Day statt, eine Initiative der World Federation of Neurology (WFN). In diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der International Headache Society (IHS), der American Academy of Neurology (AAN) und zahlreicher anderer Gesellschaften.

Heuer ist der WBD der Migräne gewidmet, der weltweit häufigsten Erkrankung des Gehirns, die die Lebensqualität vieler Menschen empfindlich beeinträchtigt. „Wir arbeiten mit unseren 120 Mitgliedsländern weltweit zusammen, um gegen die Stigmatisierung von Migränepatienten anzukämpfen, die Behandlung zu verbessern und mehr Bewusstsein dafür zu schaffen, welche enormen indirekten Kosten durch Migräne entstehen”, sagt WFN-Generalsekretär Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold (Wien). „Wenn Migränepatienten keine Attacken haben, wirken sie völlig gesund. Bei einem schweren Migräneanfall können aber die Beschwerden so heftig ausfallen, dass die Betroffenen kaum denken, geschweige denn arbeiten können.” Dies werde vom privaten und beruflichen Umfeld Betroffener oft nicht ernst genommen, ebenso wenig würden die Folgekosten angemessen berücksichtigt.

ÖGN-Präsident Prof. Trinka: Häufigste Gehirnerkrankung, hohe indirekte Kosten

Ein Mensch von sieben leidet unter Migräne, insgesamt mehr als eine Milliarde. Migräne steht nach WHO-Angaben an sechster Stelle der am schwersten behindernden Erkrankungen. „In Österreich leiden rund 17 Prozent der Frauen und sechs Prozent der Männer an Migräne unterschiedlicher Ausprägung”, so Prim. Univ.-Prof. Mag. Dr. Eugen Trinka (Christian Doppler Universitätskliniken, Salzburg), Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN). Migräne ist mit schweren, zumeist einseitigen Kopfschmerzen, Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Schlafproblemen, Schwindelanfällen sowie erhöhter Empfindlichkeit auf Licht, Geräusche und Berührungen verbunden. „Zudem weiß man, dass Migränepatienten ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall, Herzerkrankungen, Epilepsie, Depression sowie für chronische Schmerzen haben.”

Nicht nur für die Betroffenen selbst hat die Krankheit einen hohen Preis. Eine Studie hat ermittelt, dass die jährlichen Kosten für die Migränebehandlung in Europa mit rund 4,1 Mrd. Euro pro Jahr zwar relativ gering sind, die durch die Erkrankung bedingten Arbeitsausfälle jedoch Kosten von 18,4 Mrd. verursachen. Das lässt den Schluss zu, dass ein Großteil der Patienten nicht oder nur ungenügend behandelt wird.

Zugang zu wirksamer medikamentöser Behandlung oft unzureichend

In der Therapie gelang vor rund dreißig Jahren mit der Einführung der Triptane ein großer Sprung vorwärts. Ein neuer Meilenstein ist, dass seit den letzten Jahren Antikörper zur CGRP-Rezeptorblockade zur Verfügung stehen. Diese Medikamente kommen vor allem für jene Migränepatienten infrage, die drei oder mehr Kopfschmerzattacken pro Monat haben. Für die Prophylaxe eingesetzt, ermöglichen sie den Patienten mehr migränefreie Tage. Weitere derartige Antikörper-Medikamente sind zurzeit in Entwicklung.

„In Österreich ist die medikamentöse Therapie zur Prophylaxe und Behandlung akuter Attacken auf einem hohen Level und von Migräne Betroffenen könnte sehr gut geholfen werden“, sagt Prof. Trinka. „Allerdings wird hierzulande Migräne zu wenig erkannt, ist unterdiagnostiziert und wird zu selten richtig behandelt.“

ÖKSG-Präsidentin Prof. Zebenholzer: Nur 17,5 Prozent der Patienten gehen zum Facharzt

Das liegt zum Teil auch am fehlenden Bewusstsein mancher Betroffener, wie ihnen wirksam geholfen werden könnte. „Manche Migränepatienten glauben, dass sie ihre Attacken durch die Einnahme eines Schmerzmittels selbst behandeln können, andere meinen, die Migräne sei rein psychisch bedingt“, so Assoc. Prof. Priv. Doz. Dr. Karin Zebenholzer (MedUni Wien). „Es gibt bei Migräne zwar auch eine psychische Komponente, aber es handelt sich um eine neurologische Erkrankung. Diese sollte von Fachärzten für Neurologie mit genau den Medikamenten behandelt werden, die für die jeweilige Migräneform am besten geeignet ist.“

Allerdings zeigt eine Studie von Prof. Zebenholzer, dass in Österreich nur sechs Prozent der Betroffenen Triptane zur Akutbehandlung erhalten. Nur 17,5 Prozent der Migränepatienten finden den Weg zu einem Facharzt für Neurologie. Um die Versorgung zu verbessern, bedarf es daher eines abgestuften und koordinierten Zusammenspiels von Hausärzten, niedergelassenen Neurologen und spezialisierten Migränezentren. „Wir bilden praktische Ärzte hinsichtlich der Diagnose der Migräne fort”, sagt Prof. Zebenholzer.

Bei Migräne und Kopfschmerz gibt es nach wie vor offene Fragen. „Der Pathomechanismus der Migräne ist nicht vollständig erforscht. Wir wissen nicht, warum es zur Depolarisation und Aktivierung des Schmerzsystems kommt“, so Prof. Zebenholzer.

Damit die Betroffenen mit ihrer Erkrankung richtig umgehen können, sind auch Aufklärung, das Patienten-Empowerment und die Vernetzung in Selbsthilfegruppen sehr wichtig.

Forschung unterfinanziert, „Awareness“ notwendig

„Trotz der weltweiten Verbreitung und der hohen volkswirtschaftlichen Kosten von Migräne wird in die Migräneforschung viel zu wenig investiert“, bedauert Prof. Grisold. „Ein gesteigertes Bewusstsein der Allgemeinheit für die Probleme, die Migräne verursacht, hilft der Scientific Community, sich effektiver für die Bedürfnise der großen Zahl von Migränepatienten einzusetzen.”

#worldbrainday und #thepainfultruth – Webinar am Montag, 22. Juli von 16:00 bis 17:00

Am diesjährigen World Brain Day fordert die WFN Migränepatienten weltweit auf, in den Sozialen Medien unter den Hashtags #worldbrainday und #thepainfultruth ihre Erfahrungen zu teilen und Migräne sichtbar zu machen. „Außerdem laden wir Mediziner, Betroffene und Entscheidungsträger im Gesundheitswesen dazu ein, unser Webinar am 22. Juli zu besuchen”, sagt Prof. Grisold. Migräneexperten und Patientenvertreter aus aller Welt werden von den neuesten Erkenntnissen berichten, Fragen zur Migräne beantworten sowie Strategien zur effektiven Behandlung darlegen. (Anmeldung unter https://register.gotowebinar.com/register/4427363188472679693). Migräne wird auch ein Themenschwerpunkt des WFN-Kongresses sein, der im Oktober in Dubai stattfinden wird.

Presseaussendung der World Federation of Neurology (WFN), der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) und der Österreichischen Kopfschmerz Gesellschaft zum World Brain Day 2019

Quellen:

GBD 2016 Headache Collaborators: Global, regional, and national burden of migraine and tension-type headache, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. Lancet Neurology 2018, 17;11: 954-976

Katsarava Z. et al: Poor medical care for people with migraine in Europe – evidence from the Eurolight study. Headache Pain. 2018 Feb 1;19(1):10.

Olesen J. Et al on behalf of the CDBE2010 study group and the European Brain Council: The economic cost of brain disorders in Europe. European Journal of Neurology 2012, 19: 155–162

Zebenholzer K. et al: Triptan use and overuse in Austria – a survey based on nationwide sickness healthcare claims data. 18th Congress of the International Headache Society, Vancouver 2017

https://www.wfneurology.org/world-brain-day-2019